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Kapitel 2 - Neue Anfänge

Erst StR Alfred Hoffmann, als versierter Sohn der Glasindustriestadt Gablonz im Umgang mit Glas wohlbewandert, fasste den Entschluss, die verlorene Optik des Fernrohrs im Do-it-yourself-Verfahren neu zu erstellen. Im feuchten Keller einer Hausruine in der Nagelstraße entstand eine Schleifwerkstatt. Das Know-how und die nötigen Materialien wurden auf einer Reise nach Schaffhausen/ Schweiz erworben, wo der damalige "Papst" des Amateurspiegelschliffs, Hans Rohr, ein Konditormeister seines Zeichens, wohnte und wirkte. Dort wies uns Hans Rohr in einem ehemaligen Luftschutzkeller der Stadt Schaffhausen, der jetzt als Schleifwerkstatt benutzt wurde, in die Geheimnisse des Spiegelschleifens und, wichtiger noch, der genauen optischen Prüfung der entstehenden Glasoberfläche ein.

Teleskop

Es war faszinierend zu sehen, wie mit einfachsten Mitteln und Handgriffen eine optisch wohldefinierte Spiegelform erarbeitet werden kann und wie mit einer genialen, aber höchst einfachen Methode, die der französische Physiker Foucault erdacht hat, eine Genauigkeit der parabolisch gekrümmten Spiegeloberfläche von 1/15 000 mm erzielt werden kann. Faszinierend war vor allem auch die Begeisterung, die Hans Rohr für Spiegelschliff und Astronomie zeigte, als er uns die Anfangsgründe des Spiegelschliffs vermittelte und stolz zu der auf seine Initiative hin entstandenen, neuen Volkssternwarte Schaffhausens führte. Wir kehrten belehrt und in unserem Vorhaben bestärkt nach Hause zurück.
Alfred Hoffmann schliff, polierte und korrigierte in zeitraubender Arbeit einen 12-cm Spiegel für die gefundene Montierung zurecht, ich selbst wagte mich an einen 15-cm Spiegel für einen eigenen "Newton", der später für Jahre im Garten meines Hauses Aufstellung. fand.
Spiegelschleifen macht Spaß und wir waren beide insbesondere von der erwähnten Präzision überrascht, die sich mit einfachsten Mitteln und mit der eigenen Hände Arbeit erreichen lässt. Die selbstgeschliffenen Optiken öffneten uns den Blick für die Wunder des Weltalls und so folgten der unterirdischen, manuellen Arbeit im Schleifkeller mannigfache, optische Ausflüge in die Weite des Raumes.
Es ist vornehme Aufgabe eines Lehrer aus Passion, eigenes Erleben und erworbene Fertigkeiten seinen Schülern weiter zu vermitteln
Spiegelschleifen mit dem Ziele, ein eigenes Fernrohr zu erarbeiten, war so recht ein Unterrichtsgegenstand für freiwillige Arbeitsgemeinschaft von Schülern. Bald ging eine solche Arbeitsgemeinschaft im ehemaligen Weinkeller des Exzellenzhauses in Trier mit Eifer ans Werk.
Das Schleifen und Polieren einer zunächst sphärisch gekrümmten, optischen Oberfläche, die dann anschließend parabolisiert werden muss, verlangt aber neben dem Eifer auch die Ausdauer, so dass nicht jeder Teilnehmer der Arbeitsgruppen bis zum fertigen Spiegel und zu einem Eigenbaufernrohr gelangte. Einige Spiegelfernrohre sind aber damals fertig geworden.
Fünf Jahre lang sind solche Arbeitsgemeinschaften durchgeführt worden, bis die Stadt Trier für unseren Schleifkeller eine andere Verwendung vorsah: Er wurde zum Jazzkeller. Die für den Spiegelschliff notwendigen, klimatischen Bedingungen (kühl, feucht, mit konstanter Temperatur) verlor der Keller ohnedies, als seine Südwand durch den Bau einer Einfahrtrampe zu einer benachbarten Tiefgarage der Sonnenbestrahlung ausgesetzt wurde.
Im Hindenburg-Gymnasium konnten 1963 für die Physiksammlung ein 10 cm - Newton- Fernrohr der Fa. Heidenhain /Traunreut zum Preise von 1951.- DM und eine zugehörige Astrokamera (+ 800.- DM) erworben werden. Das Fernrohr brachte mit seiner Brennweite von 1000 mm recht ordentliche Leistungen am Himmel. Vorteilhaft war, dass es in bequeme Traglasten zerlegt werden konnte, Teilkreise und eine elektrische Nachführung besaß und sowohl in azimutaler, als auch in parallaktischer Aufstellung benutzt werden konnte. Es erwies sich als überaus praktisch.

Nachkriegsanfänge eines Astronomieunterrichtes am Staatlichen Hindenburg-Gymnasium

Für dieses Instrument entstand auf dem begehbaren Flachdach des Hindenburg-Gymnasiums ein fester, genau justierter Sockel, auf den Montierung und Fernrohr mit wenigen Handgriffen aufgesetzt werden konnten. Künftig war es möglich, Klassen und andere Schülergruppen selbst während der regulären Unterrichtszeit "mal eben" ein astronomisches Ereignis beobachten zu lassen. So konnten z.B. während der Unterrichtszeit zweimal, am 9.5.1970 und am 10.11.1973, Merkurdurchgänge vor der Sonne beobachtet werden. Astronomische Arbeitsgemeinschaften mit praktischen Beobachtungen am Fernrohr wurden möglich.
Allen Schülern, die damals, 1967, als Untertertianer an einer von Studienreferendar Walter Weiß betreuten freiwilligen Arbeitsgemeinschaft teilnahmen, wird dies unvergessen sein, da es Herr Weiß verstand, die Schüler zu astronomischen Beobachtungen mit einfachsten Hilfsmitteln anzuregen. Eine Besichtigungsfahrt zum Hohen List, der Sternwarte der Universität Bonn, war Krönung und Abschluss dieses Unternehmens. Weiß hat seine Erfahrungen in seiner Staatsexamensarbeit niedergelegt.